BIRGIT HAPPEL: Ja, ganz herzlichen Dank. Und jetzt sind meine Fußstapfen groß. Und last but not least hoffe ich, komme ich jetzt noch zu einer Abrundung, die eigentlich auch viele Themen nochmal zusammenfasst. Aber ich möchte beginnen mit einem Experiment. Und wir hatten vereinbart, dass das Licht jetzt besser ins Publikum geht. Dankeschön. Ich hoffe, dass Sie alle mutig und ehrlich sind. Und ich möchte Sie bitten, einmal aufzustehen. Ich würde ja sagen, am liebsten die Augen schließen, damit Sie nicht sehen, was Vorder- oder Nachbarmann oder Frau machen. Aber nicht, dass dann jemand denkt, es wird jetzt esoterisch. Ich stelle Ihnen jetzt die Frage, wenn Sie sich heute entscheiden müssten, was ist Ihnen wichtiger, Geld oder Sinn, für was würden Sie sich entscheiden? Ich möchte mal die Personen bitten, sich hinzusetzen, die sich für Geld entscheiden würden. Das glaube ich nicht. Sehr spannend. Ich hoffe, Sie sehen das zu Hause auch. Es hat sich jetzt eigentlich niemand hingesetzt oder ich habe es übersehen. Also es ist natürlich gut, wenn man beides mag. Sie dürfen sich alle wieder setzen. Vielen Dank für das kleine Experiment. Wenn ich in der sozialen Arbeit unterrichte – ich bin eben Referentin auch für finanzielle Bildung, finanzielle Gleichstellung und finanzielle Sozialarbeit –, dann ist natürlich die Verteilung schon eher so, dass die Leute sagen, mir ist Sinn wichtiger. Ich bin auch sehr idealistisch unterwegs gewesen in jungen Jahren, aber wie jetzt der Nicolas gesagt hat mit der Schlossallee, der Sinn zahlt mir meine Miete nicht. Ich muss natürlich auch sehen, wie ich Geld verdienen kann.
Und dann sind wir schon mitten im Thema. Es gibt einen Graben zwischen dem sozialen Bereich und der Wirtschaft. Die finanzielle soziale Arbeit versucht, diesen Graben zu überbrücken. Wir haben es da mit verschiedenen Sprachen zu tun, mit verschiedenen Fachdisziplinen, ja auch mit verschiedenen Geldeinstellungen und Präferenzen. Der Ansatz der finanziellen sozialen Arbeit ist im angelsächsischen Raum schon sehr gut verankert – financial social work. Bei uns gibt es diesen Ansatz strukturell verankert noch nicht. Also, es würde dann zum Beispiel darum gehen, die finanzielle Grundbildung ins Grundstudium beispielsweise in der sozialen Arbeit zu verankern. Generell auch in der Erwachsenenbildung bei den Care- und Empathieberufen. Sie sehen ja hier diese SAHGE-Berufe, die sind zu 80 Prozent weiblich, also soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit und Pflege, Erziehung und Bildung. Gerade da ist es sehr wichtig, dass Leute gute finanzielle Grundbildungskenntnisse haben, weil diese Personen auch oft wiederum Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sind. Denken Sie zum Beispiel an Familienhebammen oder an Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die aufsuchende Familienhilfe machen. Die finanzielle soziale Arbeit – um gleich auch mal so ein Vorurteil aus dem Weg zu räumen – ist jetzt kein neoliberales Framing, das dann eben ja diese Finanzthemen auf die soziale Seite bringen möchte. Sondern es geht im Gegenteil darum, sondern wir schauen auch, die strukturellen Rahmenbedingungen zu verbessern. Also zum einen natürlich die individuellen Handlungskompetenzen fördern. Wir haben es ja heute auch oft genug gehört: Finanzbildung ist Lebensbildung oder auch Persönlichkeitsbildung, Finanzkompetenz ist Lebenskompetenz. Aber dennoch ist es ja auch wichtig, dass wir die Rahmenbedingungen gut setzen.
Wo komme ich eigentlich her? Ich war als junge Wertpapierberaterin in Frankfurt sehr glücklich. Und ich dachte auch, mir liegt die Welt zu füßen. Da kannte ich den Class-Pay-Gap noch nicht, da kannte ich den Gender-Confidence-Gap noch nicht, da kannte ich den Gender-Wealth-Gap nicht, da kannte ich auch die Child-Penalty nicht. Aber die Armut im Frankfurter Bankenviertel, die hat mich doch bewegt und zum Soziologiestudium geführt. Ich habe dann sehr früh mit Frauen gearbeitet nach meinem Studium und habe praktisch die Seiten gewechselt von der Bank in die Bildung. Ich bin auch nur im Bildungsbereich tätig. Also, ich verkaufe jetzt keine Finanzprodukte mehr. Und wenn Sie beispielsweise mal googeln wohlhabende Frauen, dann bekommen Sie so realistische Fotos wie diese Frau mit dem Tiger oder zum Beispiel eine mit einem Privatjet. Bei der zentralen Schuldnerberatung in Stuttgart war ich letztes Jahr eingeladen. Da hatten die Referentinnen und Referenten diese goldenen Löffel bekommen. Die goldenen Löffel, die sollen uns alle daran erinnern und immer wieder zum Privilegien-Check aufrufen, zu sehen, wo kommen wir her, und was stülpen wir vielleicht auch anderen für Glaubenssätze über? Und wenn man mit weniger privilegierten Gruppen über Geld sprechen möchte, ist es sehr ratsam, auch mal selbst seine Geldeinstellungen reflektiert zu haben. Ebenso ist es natürlich auch wichtig – Sie sehen hier ein wirklich echtes Bild von einer Brennpunktschule, in der ich ab und zu unterrichte –: Wir dürfen nicht nur über die weniger privilegierten Gruppen sprechen oder über die Brennpunktschulen, wir müssen eben auch hingehen. Und nicht nur in die Gymnasien, wo sowieso schon der Vorsprung da ist, den wir ja dadurch dann auch noch ausbauen.
Was gibt es denn also für Anwendungsbereiche der finanziellen sozialen Arbeit? Hier unten war ich beispielsweise in Stuttgart bei der Jugendhaus-Gesellschaft eingeladen. Ich bin Vorständin im Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz. Die sind auch bei uns Mitglied. Ich bin öfter mal im Ländle eingeladen, sozusagen, da denke ich immer, interessant, man denkt ja immer, die können alle so gut mit Geld umgehen, aber trotzdem haben die auch immer noch Bildungsbedarf. Und ja, diese Füße, die sollen daran erinnern, ich habe schon immer wieder probiert, auch in der Familienbildung die Themen zu setzen. Aber zum Beispiel, wenn jetzt eine Sozialpädagogin eher so eine Geldeinstellung hat, die mit Vermeidungsstrategien zu tun hat, dann wird sie eher ein Angebot für alleinerziehende Mütter organisieren, wo man vielleicht etwas bastelt zusammen und einen schönen Nachmittag hat. Das sagen die auch so. Also, sie wollen da nicht ein problembehaftetes Thema in den Mittelpunkt stellen. Und da sieht man eben, ja, dass wir da einfach ein positiveres Geldbewusstsein auch brauchen. Dass es auch Spaß machen kann, sich mit dem Thema Geld zu beschäftigen. Und es ist ja auch ein ganz wichtiges Thema. Ich bin jetzt bei der Bundeszentrale für politische Bildung auch, wo wir wirklich in Brennpunktstadtteilen arbeiten, um da auch dieses Kontroversitätsgebot auch einzuhalten. Also, es geht da wirklich jetzt nicht drum; ich hatte zwar untendrunter, natürlich ist es wichtig zu lernen, auch zu sparen und zu investieren, aber die Grundlagen, die sind am allerwichtigsten. Und bei der finanziellen Grundbildung ist es ja auch so, dass wir dieses Kontroversitätsgebot haben, dass wir da eben nicht ganz einseitig auch die Themen weitergeben.
Von den Anwendungsbereichen ist noch ein wichtiger Punkt zum Beispiel auch die Schulsozialarbeit, wo das sehr gut implementiert werden kann auch. Wir haben in dem Mapping-Bericht von der OECD gesehen, dass ja viele weniger privilegierte Gruppen nicht ausreichend adressiert sind. Und wir haben auch – da kommen wir auch nochmal zum Thema, für das ich mich auch sehr einsetze – gesehen, dass nur weniger als die Hälfte der Projekte eine geschlechterspezifische Perspektive einnehmen. Und ja, man kann das wirklich so sagen, nicht inklusive Finanzbildung verstärkt Ungleichheit. Wie ich es eben auch gesagt habe. Wenn ich jetzt dann eben nochmal in den Gymnasien meine Finanzbildung voranbringe und vergesse die Brennpunktschulen, da werden eben weiterhin Ungleichheiten reproduziert. Gerade beim Thema Frauen ist es sehr wichtig, nicht zu individualisieren, wie wir ja gerade gehört haben. Und ich habe schon 2010 zum ersten Mal einen Bildungsurlaub angeboten „Wenn ich einmal reich werde – träumen ist gut, plan ist besser“. Der kam gar nicht zustande. Weil damals war dieses Thema noch nicht so weit sozusagen. Aber wir haben den jetzt in den letzten Jahren immer wieder angeboten mit Unterstützung der Bundeszentrale für politische Bildung, aber auch mit Unterstützung vom Beratungsdienst Geld und Haushalt. Und da komme ich gleich auch nochmal zu sprechen drauf.
Sie sehen hier ganz außen auch, was ist bei der Frau los, wenn sie ein Kind bekommt. Da haben wir eben in Deutschland noch die Strukturbedingungen so, dass eben oft – das hattet ihr ja heute auch von Finanztipp auf Geldreise schön dargelegt – man wählt die Steuerklassenkombination III und V, man arbeitet viel in Teilzeit, wir haben sehr viele – ich glaube fast 400.000 – fehlende Kinderbetreuungsplätze. Die Care-Arbeit bleibt noch an den Frauen hängen. Und insofern haben wir da einfach ein System, das auf Kosten der Mütter lebt. Und wenn Sie die Wortwolke anschauen, da sehen Sie ja eben, was alles los ist. Und dann können wir nicht einfach nur zu den Frauen sagen, ja, ihr müsst lernen, ein bisschen besser Geld anzulegen. Hier ist auch der Bildungsurlaub. Die Sozialpädagoginnen sind ein wichtiger Türöffner oder die Frauen auch in dem Sozialwesen. Sie können Angebote auf die Straße bringen oder auch Angebote verhindern, wie ich es gerade schon gesagt hatte. Und der Bildungsurlaub damals 2010, der wurde an mich herangetragen auch von einer Sozialpädagogin. Und auf der anderen Seite habe ich aber auch eben mit Frauen im sozialen Bereich zu tun, die zwar sagen, ich bin eine dieser Frauen – also jetzt nicht gerade von finanzieller Gewalt betroffen aber in finanzielle Abhängigkeit – und sie sagen, ja, das Thema Geld liegt mir einfach nicht so. Es gibt dann eben – hatte ich ja ganz am Anfang schon gesagt – diesen Graben, die einen möchten sich nicht so gerne mit Finanzen auseinandersetzen, bei den anderen fängt die Schnappatmung an, wenn sie das Thema soziale Gerechtigkeit hören.
Aber ich hatte auch noch ein Zitat, das möchte ich noch kurz Ihnen auch nicht vorenthalten, warum das auch so wichtig ist, dass wir in dem sozialen Bereich über diese Themen mehr sprechen. „Ausgerechnet in den Sozialwissenschaften wird die Macht des Geldes in und über die Gesellschaft in manchmal geradezu bizarrem Ausmaß ignoriert, verdrängt“, so der tübinger Soziologe Christoph Deutschmann. Und zum Thema finanzielle Gewalt, da hatten wir auch am IFF – da bin ich auch, da habe ich eine Forschungskooperation, die Dr. Sally Peters ist ja auch hier, die ist auch bei uns im Vorstand im Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz –, wir kriegen da immer noch zu Zuschriften von der Stellungnahme, die wir zu dem Thema finanzielle Gewalt am Frauentag herausgegeben haben. Und ja, die Abhängigkeiten in den Familien können dann eben umkippen in finanziellen Machtmissbrauch. Das ist ein Forschungsfeld, das überhaupt noch nicht erschlossen ist in Deutschland. Da haben wir zwar sehr viele Zuschriften von betroffenen Frauen, aber wir haben leider noch keine Zuschrift von einer Stiftung, die uns da Gelder geben würde, diesen Bereich besser zu erforschen. Und dann man ist so sehr beschäftigt, sich durchzubeißen, das haben wir heute auch schon in vielfältiger Weise gehört, wie eben die Lebensgeschichte mit auch dem Umgang mit Geld zusammenhängt. Und wenn ich zu Hause – das ist dann immer dieses Beispiel – nicht gelernt habe, Geld anzulegen, dann ist es dann im Erwachsenenalter auch schwierig. Aber wir haben zum Teil eben auch existenzielle Probleme in den Familien. Da müssen wir erstmal die Grundlagen schaffen, um überhaupt ja einfach wieder ein stabiles Leben darzustellen, ohne dass schon wieder die nächste Stromkappung, die nächste Stromabstellung droht.
Der wissenschaftliche Hintergrund ist groß zum Thema finanzielle soziale Arbeit. Vor allem auch ich war auch eingebunden in das Projekt am deutschen Institut für Erwachsenenbildung. Sie finden draußen auch diese Broschüren und auch das Spiel „Monetto“ ist draußen. Es gibt jetzt auch eine neue Kampagne „Mein Schlüssel zur Welt“ auch wieder in dem Alphabetisierungskontext. Am IFF haben wir auch zwei, drei Untersuchungen zusammen gestaltet zu dem Thema, zum Beispiel eine Checkliste für Geldanlage oder Checkliste für finanzielle Grundbildung in der Beratungspraxis. Das findet man auch alles auf meiner Homepage.
Wissen ist nicht Verhalten. Also, wir haben es heute auch schon gehört, Bildung ist ja nicht gleich Kompetenz. Da gibt es auch noch einen Gap. Und hier möchte ich wirklich auch noch ein schönes Vorzeigeprojekt anführen, SILKYplus auch wieder aus Stuttgart, die Sabine Wild ist auch hier. Und es ist ein social inclusion lab eben für benachteiligte junge Menschen. Und da ist es auch anders. Da können wir nicht einfach punktuelle Bildungsangebote setzen, sondern da braucht man auch Beziehungen. Also, Bildung ist Beziehung, da braucht man einen längeren Zeitraum. Da müssen Prozesse begleitet werden. Finanzielle Inklusion hat viele Gesichter. Ich bin auch noch bei Verbraucherbildung Bayern Referentin. Da haben wir jetzt wirklich auch aus dem Mapping-Bericht von der OECD-Studie gesagt, ja, die Angebote für Frauen, die brauchen eine geschlechterspezifische Perspektive. Und da führen wir jetzt beispielsweise auch eine Multiplikatorinnenveranstaltung durch. „Für Geld und Haushalt“ da gibt es auch das Haushaltsbuch, das einfache Haushaltsbuch in sechs Sprachen bin ich unter anderem bei Migranten für Migranten in Aschaffenburg, die könnten sich so ein Angebot normalerweise nie leisten. Es wird immer wieder kritisiert, dass Kooperationen stattfinden. Jetzt klingelt schon leider gleich die Uhr, aber wir brauchen eben Kooperationen. Und wir brauchen natürlich auch Gelder, um Angebote durchzuführen. Aber ich bin auch fertig. Ich hoffe, dass ich viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter finde, um Brücken zu bauen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, Wirtschaft und dem sozialen Bereich, damit eben auch Angebote erstellt werden für die, die es am nötigsten haben und am besten gebrauchen könnten. Praxistransfer hatte ja Nico schon gesagt, da laden wir Sie alle herzlich ein im November zu unserem Fachtag.